Zirknitztäler: Neuland vor der Haustüre
Früher, ja früher, da war alles noch einfacher. Für Forscher und Entdecker zumindest. Marco Polo, Leif Eriksson, James Cook, Livingstone, Shackleton, Hillary und Norgay – sie alle brachen noch in unerforschte Gebiete auf. Ihr Ziel: jene „weißen Flecken" auf der Landkarte, die die Kartographen damals freiließen, weil sie beim besten Willen nicht wussten, was sie in jenen gottverlassenen Winkeln eintragen sollten – außer dem Schriftzug „Terra incognita", unbekanntes Land.
Und heute? Von Neuland keine Spur mehr. Die Welt ist ein Dorf. Anstelle der „Terra incognita" sind GPS und pragmatische Datensammelwut getreten. Alles zu Lande ist bekannt und millimetergenau vermessen – außer ein paar Höhlen vielleicht, da kommt selbst Google Earth schwer hin. Das Berufsbild Entdecker ist ein Fall fürs Arbeitsmarktservice. Oder?
Nun, nicht ganz. Auch wenn es auf Landkarten keine weißen Flecken mehr gibt: blinde Flecken besitzen wir Bergsteiger offenbar noch genug. Mein blinder Fleck ließ mich jahrelang die Berge um die Oberkärntner Zirknitztäler übersehen. Und damit bin ich wohl nicht alleine: Denn hier ist kaum mit Gleichgesinnten zu rechnen, obwohl sich in diesem Teil der Goldberggruppe echte Touren-Goldstücke verbergen: Stanziwurten (2.707 m)
Eckkopf (2.868 m)
Roter Mann (3.095 m)
Sandkopf (3.090 m)
Es muss also nicht die Antarktis sein, nicht Papua-Neuguinea, nicht die Taklamakan-Wüste, kein Tafelberg Vene-
zuelas oder gar der Mond. Es reicht auch, persönliches Neuland zu erforschen. Das geht auch vor der eigenen Haustüre. Und es gibt uns auch heute noch das Gefühl, ein Entdecker zu sein. Ein kleiner zumindest.
"Terra incognita über dem Zirknitztal" - eine Reportage von Uwe Grinzinger.
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